Wer ist Thomas Kinne? | Das Gespräch
Thomas Kinne - der Quizdoktor
Er wurde in Neuwied am Rhein geboren, promovierte 1994 magna cum laude mit der Dissertation "Elemente jüdischer Tradition im Werk Woody Allens" und arbeitet als Übersetzer von Sachbüchern, mit dem Schwerpunkt auf Bücher zu DC Comics und Disney. Was seine Leidenschaft für Sprache mit Asterix zu tun hat und warum er 1300 Asterixexemplare in 130 Sprachen sammelt, erzählt er im folgenden Interview.
- Vielen Dank, dass du dir Zeit für dieses Interview genommen hast.
Gerne, vielen Dank für dein Interesse.
- Würdest du dich inzwischen als erfahrener Medienmensch bezeichnen oder kommen Anfragen für Interviews noch in überschaubarer Anzahl?
Thomas Kinne (lacht): Na ja – ich kann es noch bewältigen. Aber ehrlich gesagt: Ich freue mich auch über jede Interviewanfrage. Leider kommt es ja immer wieder vor, dass jemand einfach Dinge aus dem Internet zusammenschreibt und dann als Artikel veröffentlicht. Wenn dieser Artikel dann voller Fehler steckt, frage ich mich: Warum hat man mich denn nicht einfach gefragt? Ich komme, glaube ich, in der Öffentlichkeit als recht zu- und umgänglicher Mensch rüber – daran kann es wohl nicht liegen. Und ich bin grundsätzlich dafür, alles im Gespräch zu klären. Das macht das Leben leichter. Deshalb möchte ich allen, die bei ihren künftigen Internetrecherchen auf dieses Interview stoßen, sagen: Kontaktiert mich einfach, bevor Ihr schreibt. Und nach diesem Ausflug auf die metatextliche Ebene kannst du jetzt gerne loslegen!
- Einem breiterem Publikum bist du als "Quizdoktor" aus der Quizshow Gefragt – gejagt der ARD bekannt. Du wirst in der deutschen Wikipedia unter anderem als Filmexperte, Comic-Sammler, Übersetzer, Redakteur und Autor bezeichnet. Gib es für dich überhaupt noch die Unterscheidung von Arbeit und Hobby?
Ganz klar: Nein! Die hat es für mich nie gegeben. Alles, was ich beruflich gemacht habe, war Hobby – und umgekehrt. Meine Lust am Reisen half mir, als ich im Tourismus gearbeitet hab, mein Interesse an Film und Comics war eine Grundlage für viele meiner Übersetzungen, Sprachen sind natürlich auch Teil meines Berufs und meiner Hobbys, mein Filminteresse war Ausgangspunkt meiner Dissertation – das greift alles nahtlos ineinander über. Ich habe eigentlich nie das Gefühl, dass ich "arbeite", wenn ich meinem Beruf (oder meinen Berufen) nachgehe. Und das Quiz ist nur die letzte Konsequenz aus allen anderen Beschäftigungen, denn ich habe mir bei all diesen Tätigkeiten das Wissen angeeignet, das man dort abfragt.
- Apropos Reisen: In der Wikipedia steht, dass du beim Fremdenverkehrsamt der Seychellen beschäftigt warst. Klingt nach einem Traumjob.
Das war es in der Tat. Es ist wirklich eines der schönsten Länder der Welt, und um den Interessenten kompetent Auskunft zu geben, muss man das Land ja gut kennen und folglich auch sogenannte "Fam(iliariazation) Trips" unternehmen, Hotels und Serviceleistungen testen. Es war mir manchmal schon fast peinlich, wenn ich jemandem erzählte, dass ich eine Dienstreise auf die Seychellen machte, für die ich ja auch noch bezahlt wurde. Aber auch nur fast ... (zwinker, zwinker). Ich schreibe heute noch Aktualisierungen für einen sehr bekannten Reiseführer. Und da ich meine Frau dort kennengelernt habe, ist die familiäre Bindung zu den Inseln nach wie vor sehr stark. Wir reisen dorthin, so oft wir können.
- Konntest du bei deinen Quiz-Teilnahmen auch schon einmal mit deinem Asterix-Wissen punkten?
Wenn man auf einem Gebiet als Experte gilt oder sogar als solcher angekündigt wird, dann ist die Fallhöhe ja enorm. Bei Quizshows, in denen Kandidaten – anders als bei Gefragt – gejagt – Kategorien auswählen dürfen, sieht man immer wieder, dass Musiker nicht „Musik“ wählen und Sportler nicht „Sport“. Mir geht es genauso: Ich habe meine 1.300 Astérix-Alben ja nicht auswendig gelernt, und daher fürchte ich mich vor solchen Fragen. Es gab schon die eine oder andere, aber das war meist auf einem Niveau, das ich mal als „Astérix-Allgemeinwissen“ bezeichnen möchte.
Andererseits gibt es aber auch viele Fragen aus anderen Bereichen, die man dank Astérix beantworten kann. Wenn man zum Beispiel fragen würde, nach welcher europäischen Hauptstadt das chemische Element Hafnium benannt ist, wäre das für die meisten wohl eine sehr schwere Frage (die Antwort ist Kopenhagen), aber die gleiche Frage zu Lutetium ist für Astérix-Leser geradezu banal. Man kann eben aus allem lernen und muss das dann nur im richtigen Moment abrufen können und Querverbindungen herstellen, also eben von Astérix zur Chemie, zum Beispiel – das ist ohnehin die Hauptkunst beim Quizzen.
- Ab und zu kommen bei Gefragt – gejagt auch Fragen zu Asterix. Wenn du dann das Glück hast, der Jäger zu sein und die Frage für dich auf den ersten Blick einfach zu beantworten ist, lächelt man als Jäger dann in sich hinein oder bleibst du trotzdem vorsichtig, weil man gerade bei einfachen Fragen grandios scheitern kann und wie du sagst, die Fallhöhe schon schmerzt? Gab es in diesem Zusammenhang Erlebnisse, die besonders in Erinnerung geblieben sind?
Nein, ich hatte noch keine solche Frage bei Gefragt – gejagt (wenn ich mich recht erinnere). Wir haben aber schon über Astérix gesprochen. Ich kann mich an einen Kandidaten erinnern, der auch Fan und Sammler war … und ganz stolz auf seine 35 Bände. Da habe ich ihm natürlich schon schmunzelnd den vierzigfachen Umfang meiner Sammlung unter die Nase gerieben – dieses Necken gehört ja zum Spiel. Eine echte Spezialistenfrage wäre mir in diesem Kontext wirklich unangenehm, denn mein Hobby hat sich ja unter den Kennern der Sendung herumgesprochen, und dann gibt es gleich wieder Stimmen, die eine Manipulation zu meinen Gunsten vermuten würden. Das ist natürlich Unsinn, aber es wird ja viel geredet ...
- Du hast im März 2021 ein Buch über Obelix veröffentlicht, das du als Schüler bereits 1979 als Facharbeit eingereicht hattest. Wie kommt es jetzt nach mehr als 40 Jahren zu dieser Veröffentlichung?
Das ist eine kuriose Geschichte. Ich hatte vor einiger Zeit aufgeschnappt, dass Psychologen eine bestimmte Art von Ausgrenzungsverhalten einer Gruppe gegenüber einer Einzelperson als „Obelix-Effekt“ bezeichnen. Mir kam das bekannt vor, weil mir einfiel, dass ich etwas Ähnliches schon in meiner Deutsch-Facharbeit von 1979 beschrieben hatte. Ich hab das dann recherchiert. Genau konnte ich nicht eruieren, wo der Begriff wann zum ersten Mal auftauchte, aber es war auf jeden Fall nach 1980. Natürlich bezichtige ich niemanden des Plagiats, da ich meine Arbeit ja nie veröffentlicht hatte – nur mein Deutschlehrer und ich hatten sie wohl komplett gelesen, vielleicht noch meine Eltern.
Das war nun aber Anlass für mich, diese Arbeit noch einmal aus dem Regal zu holen und durchzulesen. Dabei fiel mir erstens auf, dass ich vieles, was ich damals geschrieben hatte, unverändert aufrechterhalten würde, und zweitens, dass man diese Arbeit ja auch ein wenig aufbereiten und damit etwaigen Interessenten zugänglich machen könnte – ohne großen Aufwand und ohne hohe Kosten. Damals, anno 1979 nach Christus, hatte ich selbstverständlich alles mit Maschine geschrieben und die Bilder fotokopiert, eingeklebt, das Ganze nochmals fotokopiert – schwarzweiß und trotz aller Mühe am Ende in recht dürftiger Qualität. Dank der heutigen Möglichkeiten war ich in der Lage, die Arbeit sauber in den PC zu tippen, umzuformatieren, die Bilder farbig einzuscannen und das Ganze dann im Selbstverlag zu publizieren. (Auf diesem Gebiet hatte ich bereits Erfahrungen, weil ich im Jahr zuvor auch noch ein anderes Buch publiziert hatte, das eher in die Richtung Quiz und Allgemeinwissen geht.)
- Ja, der Obelix-Effekt, dazu gab es vor wenigen Wochen auch eine Frage in Wer weiß denn sowas?, ebenso eine ARD-Quizshow. Ist schon ein Auftritt von dir dort geplant?
Klar, das hab ich auch gesehen. Man schaut ja auch, was die Kollegen machen, die übrigens einfach im Studio nebenan sind, genau wie das Quizduell. Dort war ich im letzten Jahr mit meinem Kollegen Sebastian Jacoby, und drei von uns Jägern waren auch schon bei Kai, Bernhard und Elton. Wir planen für die Zukunft weitere Crossover-Episoden, weil die beim Publikum auch sehr gut anzukommen scheinen. Ich denke, meine Chancen stehen gut. Aber Wwds ist ja kein Wissensquiz und insofern auch für uns Jäger eine besondere Herausforderung. Es steht auf jeden Fall auf meiner Bucket List. Ich habe in den letzten dreißig Jahren ja schon einen großen Teil der Quizlandschaft abgegrast (ich habe das auch in einem kleinen Video auf YouTube mal zusammengestellt), aber ich denke noch nicht daran, mich zur Ruhe zu setzen.
- Du besitzt eine umfangreiche Sammlung von Asterix-Bänden. Warum ausgerechnet Asterix?
Es gibt kaum ein literarisches Werk, das in so viele Sprachen und vor allem auch Mundarten übersetzt wurde. Ein Freund hat Le Petit Prince gesammelt – den gibt es wohl in knapp 400 Übersetzungen. Auf einer Wikipedia-Seite steht Astérix, wenn man religiöse Werke ausklammert, an siebter Stelle, knapp hinter Don Quijote. Der Rest der Weltliteratur liegt bei unter 100 Übersetzungen. Hinzu kommt, dass es bei einem Comic einfacher ist, Sprachen zu vergleichen, weil ja gleiche Texte immer an gleicher Stelle stehen.
Meine Sammlung nahm mit diesem sprachlichen Aspekt ihren Anfang. Unser Französischlehrer hatte begonnen, mit uns La Grande Traversée zu lesen, bevor dieser Band auf Deutsch erschien – damals lagen ja noch Monate dazwischen, und wir konnten daher nicht mogeln, indem wir die deutsche Übersetzung kauften. Wir überredeten dann unsere Englischlehrerin, Asterix in Britain mit uns zu lesen, und unseren Lateinlehrer, Falx aurea in den Unterricht aufzunehmen und abwechselnd mit Cäsars De bello gallico zu lesen. Das waren tatsächlich meine ersten drei Astérix-Bände.
Aber es geht nicht nur um Sprache. Ich mag auch den Zeichenstil von Uderzo und den Humor von Goscinny, der ja schwer übersetzbar ist – auch das ist für mich interessant, weil ich ja selbst Comedy-Serien fürs Fernsehen übersetzt habe und diese Problematik kenne. Neben meinem rein sprachlichen Interesse kommt also der Aspekt, dass es einfach Spaß macht, Astérix zu lesen. Das ist für mich immer ein wichtiges Kriterium. (Ich hätte auch nicht jahrelang an einer 600-Seiten-Dissertation über Woody Allen geschrieben, wenn es da nicht so viel zu lachen gegeben hätte.)
- Aber es blieb offenbar nicht bei den drei Bänden aus dem Unterricht ...
Richtig. In jedem Band waren gegenüber der Gallienkarte zu dieser Zeit noch die rund zwei Dutzend Verlage der damaligen Übersetzungen aufgelistet, und so machte ich mich an die Arbeit, einfach alle Verlage anzuschreiben – per Post wohlgemerkt! – und zu fragen, ob ich dort die Bände bestellen könnte. Die Antwortbriefe habe ich heute noch. Manche Verleger waren ganz begeistert, dass sich jemand im Ausland für ihre Übersetzungen interessierte. Fast alle waren sehr hilfsbereit. Dann bin ich oft zur Post gelaufen, habe Postanweisungen ins Ausland getätigt und wochenlang auf die ausländischen Bände gewartet. Das war eine sehr spannende Zeit.
- Das klingt auch sehr spannend. Sicherlich war auch die eine oder andere Kuriosität dabei?
Ja, zum Beispiel bekam ich iranische Astérix in einem riesigen Postsack der iranischen Post – ich weiß nicht, ob ich seither auf irgendwelchen Beobachtungslisten des Verfassungsschutzes stehe. Die Iraner schickten auch gleich noch einen Kalender mit, in dem – das werde ich nie vergessen – der 4. Juli als Unabhängigkeitstag der USA mit einer kleinen US-Flagge markiert war – und das immerhin zu Zeiten von Chomeini. Aber interessant ist an den verschiedenen iranischen Ausgaben ja vor allem die akribische Bildzensur, bei der man Kleopatra in drei verschiedenen Versionen drei verschiedene Ärmellängen und Ausschnitte verpasst hat. Das ist einfach unter kulturellen Gesichtspunkten sehr aufschlussreich.
- Welche Stücke deiner Sammlung haben für dich einen besonderen Wert?
Die Bände, die längst vergriffen sind, zum Beispiel die sehr fragilen Ausgaben in Hindi. Die haben damals umgerechnet, glaube ich, gerade mal eine Mark (= 50 Cent) gekostet, aber sie sind auch auf sehr dünnem Zeitungspapier gedruckt. Ich nehme sie ungern in die Hand. Ich habe einen mal komplett eingescannt, weil ich Angst um den Bestand habe.
Aber manche Bände haben eben auch ideellen Wert. Heute bestellt man mit zwei Klicks im Internet, aber mit vielen der alten Bände verbinde ich eine persönliche Geschichte, vielleicht auch eine Urlaubserinnerung. Das macht sie für mich wertvoll.
- Gibt es noch Lücken in deiner Sammlung?
Sehr wenige. Ich habe inzwischen aufgegeben, jede Ausgabe aus jedem Land zu sammeln – das geht einfach auch zu sehr ins Geld. Es fehlen mir noch die beiden Alben aus der ersten persischen Version und zwei der drei rätoromanischen Übersetzungen, die ja jeweils in anderen Mundartvarianten geschrieben. Ansonsten besitze ich in jeder Sprache zumindest einen Band. Ich besitze 81 der 147 verschiedenen Ausgaben komplett – nach meiner Zählung sind es knapp 1.350 Bände, und es fehlen noch rund 400, die mir bekannt sind.
- Was verbindet dich außer der Sammelleidenschaft mit Asterix und dem gallischen Widerstandsnest?
Durch meine Affinität zu Sprachen weiß ich die regionale Vielfalt sehr zu schätzen. Ich liebe unsere vielen Mundarten in Deutschland – das sind sichtbare und hörbare Zeichen einer beispiellosen kulturellen Vielfalt. Ich bin im Herzen ein leidenschaftlicher Befürworter der Zusammenarbeit und der Gemeinschaft und des Europagedankens und so weiter, aber andererseits bin ich auch sehr für den Erhalt und die Pflege regionaler Eigenheiten. Das ist überhaupt kein Widerspruch, wie man ja gerade in kleinen Ländern wie Luxemburg sieht: Französisch, Deutsch und Luxemburgisch existieren hier wunderbar nebeneinander. Das Gleiche beobachte ich im Heimatland meiner Frau, den Seychellen, wo man Englisch, Französisch und Seychellenkreolisch spricht. Die Bürger solcher Länder sind die besten Weltbürger, selbst Kinder können sich weltweit verständigen, weil jeder mehrsprachig aufwächst, aber die Bürger dieser Länder sprechen zusätzlich eine Sprache, die einerseits zwar nur ein paar tausend Menschen sprechen, die aber andererseits kulturelle Eigenständigkeit signalisiert und identitätsstiftend wirkt.
Für mich ist das Aussterben einer Sprache wie das Aussterben einer Tierart. Ich freue mich, dass regionale Sprachen in Europa wieder mehr Anerkennung finden, und Astérix steht ja einerseits durch seinen Inhalt für regionale Eigenständigkeit und andererseits auch dadurch, dass es eben gerade diese Bücher in so vielen Regionalsprachen und Mundarten gibt. Das ist einfach phantastisch: auf der einen Seite hat man Sprachen wie Chinesisch und am anderen Ende der Skala den Stadtdialekt von Helsinki!
- Für viele Asterix-Fans teilt sich die Asterix-Serie in drei Abschnitte. Die Zeit von Goscinny und Uderzo, dann der Abschnitt nach Goscinnys Tod und zuletzt die Abenteuer der neuen Autoren. Hältst du es für nachvollziehbar, dass langjährige Asterix-Leser hier Unterschiede machen?
Absolut! Ich mache diesen Unterschied auch. Ich habe mein Buch daher auch ganz bewusst nicht fortgeschrieben – es umfasste damals die Goscinny-Ära, und das ist für mich eine abgeschlossene Phase. Ich bin ein großer Goscinny-Fan, auch abseits von Astérix. Ich habe zum Beispiel mit Le Petit Nicolas Französisch gelernt. Da ich selbst auch gern zeichne, weiß ich die Kunst von Uderzo sehr zu schätzen, ich kann seine Bilder stundenlang betrachten, aber als Autor konnte er Goscinny nie das Wasser reichen. Das neue Team leistet zwar auch gute Arbeit, ist wieder ein Stückchen mehr zum alten Stil und den alten Themen zurückgekehrt, aber man muss aufpassen, dass man sich nicht ständig wiederholt und im Kreis dreht.
Ich glaube, Astérix hätte seine Stellung in der Literatur und Kultur auch, wenn es nur die besten zehn oder fünfzehn Alben gäbe und sonst nichts (die stammen für mich auf jeden Fall alle aus der Goscinny-Ära). Es gibt keinen Zwang (außer dem kommerziellen), das Thema endlos fortzuschreiben, wenn es nicht wirklich sehr zündende neue Ideen gibt. Ich hätte meine Sammlung sogar beinahe mit der Uderzo-Ära beendet, aber dann erschienen die Pictes in den gälischen Sprachen, und das war natürlich wichtig für mich.
- Asterix-Fans machen auch eine Veränderung bei der Übersetzung aus. Auch wenn es viele gar nicht wissen, Gudrun Penndorf hat bis Band 29 Asterix und Maestria die Übersetzungen vorgenommen und dabei Wortspiele und Namen erschaffen, die heute in aller Munde sind. Wie beurteilst du ihren Anteil am Erfolg von Asterix in Deutschland?
Da muss ich natürlich für meinen eigenen Beruf sprechen. Der Erfolg eines Buches – ebenso wie eines Films oder einer Fernsehserie – in einem Land steht und fällt mit der Übersetzung. Leider ist es aber auch so, dass es sehr viele schlechte Übersetzungen gibt, und wenn es überhaupt geschieht, dann dauert es oft Jahre, bis eine verbesserte Version auf dem Markt erscheint. Das hat zum einen rechtliche Gründe, zum anderen ist es auch Trägheit. Ich sehe den Beruf als Insider daher auch sehr kritisch. Häufig wird nämlich unter dem Deckmantel der „Übersetzung“ in heftiger Weise manipuliert. Die Geschichte von Astérix in Deutschland – Stichwort Kauka – ist ja ein leuchtendes Beispiel dafür, das muss ich dir nicht erzählen.
Beim Film und im Fernsehen gibt es unzählige ähnliche Beispiele, und der Grat zwischen sinnvoller Änderung und bewusster Manipulation ist sehr schmal. Ich kann einen Gag abändern, weil das Original unverständlich wäre, aber ich kann das auch aus Arroganz machen, weil ich finde, dass ich ja sooo viel lustiger bin als die Originalautoren – die Argumentation von Synchron-Ikone Rainer Brandt. Das ist aber in meinen Augen ein unzulässiger Eingriff – jedenfalls, sofern ich den Rezipienten keine Wahl anbiete. Ich habe kürzlich die Blu-ray Disc von L’Avare von 1980 mit Louis de Funès gekauft – ein Film, für den Uderzo ja auch ein Bühnenbild gezeichnet hat. Ich hatte den Film beim Erscheinen in einem Programmkino gesehen, aber in Deutschland wurde er bis jetzt nur in einer stark gekürzten und umsynchronisierten Fassung gezeigt. Erst diese neue BD enthält nun (nach vierzig Jahren!) endlich beide Fassungen und beide Synchronisationen. Es ärgert mich, dass das so lange gedauert hat. Immerhin ist das ein Molière-Stück und keine Funès-Klamotte!
Insofern war die Story mit Siggi und Babarras für den weiteren Verlauf der Astérix-Rezeption in Deutschland sehr heilsam und vorteilhaft, denn nun achteten Goscinny und Uderzo ja höchstpersönlich darauf, was man aus ihrem Werk machte. Das stellte die Qualität sicher, und ich muss sagen, Frau Penndorf hat gute Arbeit geleistet. Ich habe auch mit Interesse ihre eigenen Aussagen dazu gelesen, sowohl im Gespräch mit dir als auch in Asterix und seine Zeit. Astérix ist eine enorme Herausforderung für Übersetzer. Es bleibt zwangsläufig einiges auf der Strecke, aber sie hat gerettet, was zu retten war.
- Vor kurzem wurde der Titel des 39. Asterix-Abenteuers veröffentlicht: Asterix und der Greif. Das klingt nach einer neuen Idee, einer Weiterentwicklung und es ist auch das letzte Abenteuer in dessen Entstehung Albert Uderzo noch involviert war. Ist eine Veröffentlichung von Asterix für dich noch immer etwas Besonderes?
Ja, Astérix et le Griffon – mein erster Gedanke war, dass man nun (sehr spät) auf den Harry-Potter-Zug aufspringt, also wieder ein Ausflug in eine Fabelwelt wie bereits zuvor Atlantis. Das sind neue Richtungen – ich weiß nicht, was Goscinny dazu gesagt hätte. Mir gefällt allerdings die Anbindung an die keltische Mythologie, die Ferri ansprach, denn hier sind wir ja wieder bei den Ursprüngen von Astérix (und Obélix, wie ich in meinem Buch darlege). Ich lasse mich gerne überraschen. Es wäre unfair, aufgrund der spärlichen Vorabinformationen ein Urteil zu fällen. Mir fiel natürlich gleich auf, dass man im Englischen und Spanischen abweichende Titel wählte: Asterix in the Footsteps of the Gryphon und Asterix tras las huellas del grifo. Das wirft auch gleich ein paar Fragen auf – mal sehen, was das zu bedeuten hat.
Ich schreibe mir natürlich den Erscheinungstag nach wie vor in den Kalender, denn es liegen ja immer noch zwei Jahre zwischen den Alben. Aber ich renne nicht gleich in die Buchhandlung, sondern lese immer das Original zuerst, und da muss ich dann warten, bis es aus Frankreich eintrifft. In der Zwischenzeit vermeide ich auch, Kritiken zu lesen, damit ich unvoreingenommen bin. Ich bestelle meist die gängigen Sprachen alle zusammen, und dann trudeln sie in den nächsten zwei Wochen per Post ein und ich habe einiges zu tun. Ich bin gespannt!
Das Gespräch wurde im März 2021 aufgezeichnet. Das im Interview genannte Buch zu Obelix ist am Ende des Textes für knapp 15 Euro erhältlich. Der im folgenden verlinkte Titel verweist direkt auf die Online-Plattform von Amazon. Mit jedem verkauften Artikel unterstützen sie mit einem kleinen Betrag das kostenfreie Angebot des Asterix-Archivs. Das Produkt verteuert sich für Sie dadurch nicht. Vielen Dank für Ihre Unterstützung des Asterix-Archivs. Die Nutzung des Interviews, auch auszugsweise, ist nur nach vorheriger Genehmigung unter Nennung der Quelle und bei Websites mit einem Verweis auf diese Seite erlaubt.