Kino als Kunst

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Moderator: Comedix

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Comedix
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Kino als Kunst

Beitrag: # 19916Beitrag Comedix »

Hallo,

ich verlagere die weitere Diskussion mal hier her, bevor es im Filmbereich zu weit vom eigentlichen Thema abschweift:
Invincible1958 hat geschrieben:ich verfolge die internationale Kinolandschaft seit Jahren ein bisschen.
Nachdem was ich von dir bisher gelesen habe, scheint "in bisschen" etwas untertrieben zu sein. Ich halte dich für jemanden, den man gemeinhin als "Cineasten" bezeichnet. Der noch dazu ein Hintergrundwissen über den eigenen cineastischen Horizont hinaus hat. Ich kenne Menschen, die sich selbst als Cineasten bezeichnen, aber um Mainstream einen sehr großen Bogen machen. Doch als "Cineast" muss man sich auch mit diesen Filmen auseinandersetzen, wie ich finde. Und nicht nur durch Abstinenz glänzen und über die Menschen, die in ein Cinemaxx oder Cineplex gehen, den Kopf schütteln, während sie selbst ausschließlich ins sogenannte Programmkino gehen.
Invincible1958 hat geschrieben:In Deutschland habe ich häufig das Gefühl, dass viele Leute Filme, aber auch Musik, nur noch als Produkt betrachten, und nicht als Kunst.
Ich kann unterscheiden zwischen Filmen, die als Sequel produziert wurden und mit entsprechendem Marketingbudget auf den Markt gebracht werden und Filmen wie "Down by law", "Letters From Iwo Jima" und "Der Krieg des Charlie Wilson" oder auch "Paris Je t´aime". Doch auch ich scheue das Risiko in einen Film zu gehen, der mir völlig unbekannt ist - das gebe ich offen zu. Die oben genannten Beispiele hatten bekannte Schauspieler oder Regisseure als Zugpferde, die mich veranlassten sie anzusehen.

Und ja, ich bin in diesem Sinne wohl ein Kunstbanause, denn ist gibt vornehmlich einen besonderen Grund für mich ins Kino zu gehen: Ich möchte mich gut unterhalten wissen und dem Alltag und den Horrormeldungen der Tagesschau ganz bewusst den Rücken kehren.

Ich gebe dir recht, dass es Filme gibt, die man sich ganz sicher nur im Kino ansehen kann, denn man muss dabei im Film sitzen, mit einer großen Leinwand und einem Soundsystem, was ich persönlich zu Hause nicht habe. Da sitze ich nur vor dem Film und konsumiere.

Möglich, dass der Kinogänger in Deutschland dem Kino nicht den Stellenwert gibt, den du beschrieben hast. Wie so vieles ist dies in der Vergangenheit und der Kultur der 40er und 50er Jahre begründet.

Gruß, Marco
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Iwan
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Beitrag: # 19918Beitrag Iwan »

Hallo,

dann kopiere ich einfach mal, was ich vorhin in den Film-Bereich geschrieben hatte, hierher, stimmt, das gehört hier besser rein:)

hui, beeindruckend, deine Auführungen! Ich würde mich ja nun keineswegs als einen Kinofachmann bezeichnen, ich gehe relativ selten ins Kino. Aber ich muss sagen, die letzten Filme, von denen ich wirklich hellauf begeistert war, waren "Drachenläufer" und "Der Untergang", seither eigentlich nicht mehr viel.
Vielleicht liegt es auch daran, dass ich Hollywood-Filme eher meide, eben, weil ich mir Kino-Besuche einteile (hier kostet so was jedes Mal zehn Euro) und keine Lust auf eine Enttäuschung habe

Was ich natürlich berufsbedingt öfters anschaue, sind Historienfilme. Die Leute wollen dann immer wissen, ob so was den historischen Tatsachen entspricht. Und da muss ich sagen, Letters from Iwo Jima war in der Hinsicht nicht schlecht, auch wenn mir die ganze Aussage des Films nicht so gepasst hat. Er hat eigentlich auf mich wie eine Pflichtübung nach "Flags of Our Fathers" gewirkt, der Versuch, die andere Seite auch noch zu Wort kommen zu lassen. Aber der Film war immer noch meilenweit besser recherchiert und insgesamt umgesetzt als Produktionen wie etwa "300" (gut, der hat sich nicht als absoluter Historienfilm, sondern als Comicverfilmung bezeichnet) oder "Alexander".

Was aber all diese Verfilmungen schlägt, zumindest im Historienbereich, sind die ganz einfachen europäischen TV-Produktionen, zum Beispiel eben "Der Untergang", der ja von ZDF, ORF und ARTE produziert wurde, "Stauffenberg" (keine Ahnung, was Tom Cruise in der Hinsicht produziert, ich werde mir das kaum antun), oder meine Favoriten, "Masada" und die Vierteiler "Krieg und Frieden", "Napoleon" (mit Christian Clavier und G. Depardieu) und "Französische Revolution - Jahre der Hoffnung / des Zorns".

Also, die Deutschen mögen vielleicht Kinoproduktionen nicht so würdigen, aber auf jeden Fall gibt es noch hervorragende Fernsehfilme, die den Vergleich mit Hollywood nicht zu scheuen brauchen ...

I.
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Erik
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Beitrag: # 19920Beitrag Erik »

Hallo,

um es vorweg zu sagen: Auch ich bin alles andere, als ein Kinogänger. Vor 2 Wochen war ich im Asterix und gestern in "Unsere Erde" (weil ich von meinen Eltern eingeladen wurde). Weitere Kinobesuche sind aber auch nicht geplant und werden auf absehbare Zeit nicht folgen. "Herr der Ringe" und "Harry Potter" hab' ich noch im Kino gesehen, das war es in den vergangenen Jahren aber auch. Mir liegt nicht so viel an der großen Leinwand und der Sound ist mir im Kino nicht selten eher zu laut.

Das wollte ich nur vorwegschicken, damit meine Äußerungen im richtigen Licht erscheinen. Ich bin ein absoluter Nicht-Fachmann.
Invincible1958 hat geschrieben:Gerade die Einstellung "Den Film gucke ich mir von DVD oder später im Fernsehen an" zeugt von Disrespekt gegenüber Filmemachern.
Es kann aber auch Respekt vor dem eigenen Geldbeutel sein. Als Student zahle ich bei uns für einen Film ohne Überlänge am Wochenende 6,50 €. Wenn ich nicht mehr Student bin, sogar 8,50 €. Da überlegt man sich schon, wie oft man das macht. Außerdem braucht man eigentlich immer jemanden, der mitgeht. Alleine ins Kino macht keinen Spaß. Wenn man also nur eine begrenzte Anzahl an Malen ins Kino geht, dann schaut man sich das an, wovon man vorher schon überzeugt ist. Ist man sich bei einer Sache nicht so sicher oder kann sonst niemanden dafür begeistern mitzukommen, dann läßt man den Kino-Besuch halt sein. Nach 3 Jahren kommt vieles ohnehin im Free-TV.
Invincible1958 hat geschrieben:Aber ich sehe ein echtes Problem im Kunstverständnis dieses Landes.
In Bezug auf Filme kann ich das nur begrenzt beurteilen. Wenn ich mir so ansehe, was für deutsche Filme produziert werden, dann habe ich manchmal den gegenteiligen Eindruck (wobei das dann natürlich die Filmermacher, nicht das Publikum, betrifft). Deutsche Filme sind oft "Problemfilme", Filme mit Anspruch, Filme zum Nachdenken. Manchmal denke ich, der deutsche Filme ist nicht wirklich groß (vom Erfolg an den Kinokassen her), weil die Deutschen keine Filme einfach zur Unterhaltung machen können oder wollen. Was das angeht, mag es auch daran liegen, daß bei den Produktionen das Budget für vom Publikum geliebte aufwändige Special Effects fehlt. Aber ich vermute bei vielen Regisseuren auch einen hohen Kunst-Anspruch. Und wenn ich mir einen Film (im Fernsehen eben) anschaue, dann will ich mich auch meistens in erster Linie unterhalten lassen und nicht über philosophische Fragen grübeln, mit anderen Leuten trauern, oder sonstwie Kunst konsumieren. Es ist nicht so, daß ich nicht erkennen würde, daß ein Film keinen größeren Anspruch hat, nur ist Anspruch nicht das, was ich in dem Moment suche. Mich mit Problemen auseinandersetzen, muß ich mich im Alltag genug.

Ansonsten kann ich das übrigens auch - diesen off-topic-Ausflug möchte ich mir erlauben - für Comics bestätigen. Die werden in Deutschland ebenfalls weder als vollwertige Kunst, noch als vollwertige Literatur angesehen. "Comics sind Kinderkram." ist die vorherrschende Sicht der Dinge. Wenn über Asterix gesprochen wird - und ja, Asterix zu kennen, ist in Ordnung - dann sind das zumeist die "Helden aus der Kindheit". Sich als Erwachsener mit Comics (und sei es auch nur der am ehesten anerkannte Asterix) zu beschäftigen, ist sozialinadäquat. Nach eher unangenehmen Erfahrungen erzähle ich jedenfalls öffentlich nur noch sehr zurückhaltend, wenn es in einer Situation nötig ist, daß ich Asterix-Fan bin. Nicht, daß ich mich dafür schäme, aber man ist immer gleich im Rechtfertigungszwang, was man sich mit solchem Kinderkram befaßt, den andere doch spätestens mit den Schulbüchern abgelegt haben. In Frankreich oder Belgien hätte man diese "Probleme" sicher nicht.
Invincible1958 hat geschrieben:Und was mich am meisten stört, ist, dass die Deutschen häufig (aufgrund der TV-Verdummung) nur die Kinofilme zu Hits machen, die mit großen Werbebudget in der BILD, bei RTL und Co. groß beworben werden.
Das gilt leider nicht nur für das Kino. Werbung ist sehr wirksam und "mächtig". Auch Asterix ist seinerzeit mit Werbung (für Pilote bei Radio Luxembourg) groß geworden. Es liegt nicht nur an "TV Verdummung". Auch wenn RTL keine "Superstars" suchte und RTL2 niemanden in ihre Container setzte, würde die Werbung stark auf die Meinungsbildung einwirken.
Andererseits gibt es in Deutschland mehr Kultur-Fernsehsender, als in Frankreich. Das jedenfalls wurde mal als Begründung dafür gebracht, daß Arte in Frankreich so viel bessere Einschaltquoten bekommt, als in Deutschland. Die Franzosen haben wohl kein 3-Sat, Phoenix etc. als Alternative. Auf das Fernsehen und die BILD-Zeitung zu schimpfen greift hier also wahrscheinlich zu kurz.
Invincible1958 hat geschrieben:(Die Asterix-Filme fallen nun nicht grad in die Kategorie 'Meisterwerk')
Und ganz zum Schluß möchte ich auch dem noch wiedersprechen. Wenn Du nur die Realfilme meinst, hast Du recht. Unter den Zeichentrickfilmen gibt es aber Meisterwerke. "Asterix bei den Briten", "Asterix und Kleopatra" und wohl auch "Sieg über Cäsar" können es mit jedem anderen Film ihres Genres (die kommen ja zumeist von Disney) aufnehmen. Als Film halte ich auch und gerade "Asterix erobert Rom" für ein Meisterwerk, wenngleich mir die Geschichte da als Asterix-Fan nicht so gefällt.

Gruß
Erik
"Alle sollt ihr noch sehen, daß ich habe recht!" (Erik der Blonde, Die große Überfahrt, S. 5)
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