Wer ist Gudrun Penndorf? | Das Gespräch
Gudrun Penndorf, Portrait anlässlich
der Verleihung des Verdienstortdens
Nach ein paar Jahren in der Sprachenredaktion des Langenscheidt-Verlags machte sie sich selbständig und arbeitete von 1967 bis 1995 als freiberufliche Übersetzerin, in erster Linie für den Egmont Ehapa Verlag. Von 1989 bis 1999 war sie Lehrbeauftragte für Wirtschaftsfranzösisch und von 1991 bis 1998 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Romanische Philologie der Ludwig-Maximilian-Universität München. Von 1999 bis 2009 engagierte sie sich in Projekten zur Integration von vorwiegend türkischen Migrantinnen. (Lebenslauf von Egmont Ehapa Medien GmbH).
Frau Penndorf hat eine große Fan-Gemeinde, ist sie doch die Schöpferin von wunderbaren Namen wie Grautvornix und Schlagdraufundschlus. Zudem hat sie den Asterix-Figuren schöne Zitate in den Mund gelegt, die teilweise in den deutschen Sprachgebrauch übergegangen sind. Bereits 2004 gab sie mir ein erstes Interview und 16 Jahre später wurde es einfach wieder Zeit. Weil wir uns inzwischen sehr lange kennen, wurde das Interview im persönlichen "Du" geführt. Zufällig fiel das Interview in den Zeitraum, in dem sie das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland erhielt.
- Im März 2020 ist mit Albert Uderzo nun auch der zweite der beiden Asterix-Väter gestorben. Wie hast du davon erfahren und wie sehr hat dich diese Nachricht getroffen?
Richtig, am 24. März ist Albert Uderzo im Alter von fast 93 Jahren gestorben. Du hast so schön geschrieben: "Jetzt trifft er sich wieder mit René Goscinny". Das wünschen wir uns alle sehr für ihn. Sein Tod war für mich trotz seines hohen Alters dann doch eine Überraschung. Erfahren habe ich es am Vormittag aus den Schlagzeilen der SZ Online.
- Uderzo hatte ja schon vor seinem Tod die Nachfolge geregelt, aber auch gleichzeitig in einem Interview gesagt, dass nach seinem Tod Asterix nicht mehr fortgeführt werden sollte. Die Fans erhoffen sich, dass sich Asterix in den nun kommenden Abenteuern weiterentwickeln wird.
In seinen Memoiren "Uderzo se raconte", 2008 findet sich auf den Seiten 278 und 279 eine Zusammenfassung der Zwistigkeiten zur Weiterführung von Asterix nach dem Tod von Goscinny. Die Stelle endet mit dem Satz "...habe ich ... mit dem Einverständnis von Goscinnys Erbin die Publikationsrechte an dieser Reihe dem Verlag Hachette Livre überlassen."
- Das ist interessant, denn das ist vielen Asterix-Fans gar nicht bekannt. Du hast Albert Uderzo persönlich kennengelernt. Wann war das und welchen Eindruck hattest du von ihm?
Ich habe ihn immer als sehr zurückhaltenden, fast scheuen Mann in Erinnerung. Übrigens mit einer wunderschönen Frau! Gerade blättere ich noch einmal in seinen Memoiren "Uderzo se raconte", die er im Alter von 80 Jahren herausgab. Auch hier erstaunlich, mit welcher Bescheidenheit er erzählt: Seine italienischen Wurzeln, die Ankunft seiner Eltern in Frankreich, sein beruflicher Werdegang, seine Freunde, seine Kollegen. Feinde hatte der Mann nicht.
Und was für eine geniale Leistung, die Figuren zu diesen Galliern und Römern zu erfinden! Was für faszinierende Gesichter, namentlich die der römischen Militärs. Wie raffiniert er mit blümchenumrankten oder schmerzhaft verzerrten Sprechblasen lautmalerisch! den Text Goscinnys ergänzend verstärkte.
Ja, ich hatte das Glück, Uderzo mehrfach zu begegnen, sei es bei Pressekonferenzen in den siebziger Jahren in Stuttgart, dem früheren Sitz des Ehapa-Verlags, als ich für Goscinny und Uderzo die Presseinterviews gedolmetscht habe. Sei es in den achtziger Jahren auf der Buchmesse in Frankfurt. Und wenn ich ein Geheimnis verraten darf: Weder Goscinny noch er machten sich etwas aus Wildschweinbraten, das hatten sie wohl irgendwann satt.
- Kennst du die neuen Asterix-Abenteuer, die von Didier Conrad und Jean-Yves Ferri realisiert werden? Wie gefallen sie dir?
Natürlich lese ich sie, sowohl auf Französisch als auch auf Deutsch. Aber sie gehören nicht zu meinem Repertoire und somit ist es nicht verwunderlich, dass meine Beziehung zu den alten, von mir über viele Jahre übersetzten Bänden um einiges emotionaler ist.
- Für viele Asterix-Fans teilt sich die Asterix-Serie in drei Abschnitte. Die Zeit von Goscinny und Uderzo, dann der Abschnitt nach Goscinnys Tod und zuletzt die Abenteuer der neuen Autoren. Hältst du es für nachvollziehbar, dass langjährige Asterix-Leser hier Unterschiede machen?
Ja, ich weiß, dass Hardcore-Fans diesen Unterschied machen. Das ist auch eine Sache der Generationen. Da hat jede so ihre Lieblingsbände.
- Verfolgst du noch, was in der Asterix-Welt passiert?
Natürlich, nicht zuletzt anhand der aufwändigen Recherchen bei COMEDIX!!!, die ich mit großem Interesse verfolge.
- Vielen Dank für das Lob! Nicht zuletzt haben die Besucher von Comedix auch von deinen Antworten auf diverse Rückfragen profitiert. Manche Hintergründe lagen im Verborgenen, die ich dank deiner Antworten an die Leser und Fans weitergeben konnte.
Einige Asterix-Fans von den Asterix-Fantreffen hatten immer den geheimen Wunsch, dass die derer Meinung nach nicht gelungene Übersetzung von "Asterix und Latraviata" von dir nochmal revidiert wird. Davon abgesehen, dass es offiziell aus Urheberrechtsgründen nicht möglich ist - fändest du es spannend, genau dies zu tun?
Das sind individuelle Wertungen und Vorstellungen. Jede der Asterix-Übersetzungen hat ihre Zeit und ihren Platz.
- Seit "Gallien in Gefahr" leistet Klaus Jöken alleine die Übersetzungsarbeit. Hast du ihn kennengelernt? Ist die Herausforderung Asterix zu übersetzen nach deinem Eindruck heutzutage eher leichter oder eher schwieriger geworden?
Ja, ich habe Klaus Jöken 2009 bei einem Asterix-Symposion in Paris kennengelernt und ihm gesagt, dass ich ihn für einen sehr guten Übersetzer halte. Woraufhin er charmant erwiderte: "Sie haben aber auch die Messlatte sehr hoch gelegt."
Ist die Herausforderung heute leichter oder schwieriger? Die Nachfolgezeichner bleiben streng in der Tradition von Uderzo, die Texter verfahren je nach ihrer Individualität. Das möchte ich nicht werten. Jedenfalls ist der französische Stil heutzutage ein anderer. Kein Wunder, jeder Autor, jeder Übersetzer hat sein eigenes Idiom. Vorsicht vor vorschneller Kritik! Es hat mich immer gewundert, dass ich bei Kritik an meinen Formulierungen selten einen wirklich überzeugenden besseren Vorschlag mitgeliefert bekam.
- Mit welchen Herausforderungen hattest du damals zu kämpfen?
Es fing damit an, dass ich im eigenen familiären Umkreis nicht eben dafür gefeiert wurde, als Redakteurin aus dem renommierten Langenscheidt-Verlag auszuscheiden, um freiberuflich ausgerechnet Comics zu übersetzen. Auch war ich mit dieser Textsorte ja gar nicht aufgewachsen. Das galt in der eigenen wie in der Schwiegerfamilie als Schmutz- und Schundliteratur, die uns die amerikanische Besatzung eingebracht hatte. Die Deutschen hatten –und haben, möchte ich sagen- leider immer noch wenig Ahnung von der franko-belgischen Comic-Tradition, eine französische Comic-Hochburg wie Angoulême, in der sogar die Email-Straßenschilder als Sprechblase dargestellt sind, ist für viele Deutsche ein böhmisches Dorf.
- Für die meisten Asterix-Leser, die den neuesten Band jeweils alle zwei Jahre am Kiosk kaufen und ihn dann wieder weglegen, ist die Arbeit einer Übersetzerin kaum bekannt. Sicher können viele mit deinem Namen auch nicht viel anfangen - weshalb wir ja auch alle 16 Jahre ein Interview führen, um deine Arbeit entsprechend zu würdigen.
Die Arbeit der Übersetzer*innen wird ganz generell viel zu wenig gewürdigt, was ich gar nicht verstehen kann! Vielleicht liegt das tatsächlich daran, dass die "Arbeit" vielen Menschen nicht bewusst ist, wie Du sagst.
Leider ist es auch noch immer keine Selbstverständlichkeit, dass Übersetzer*innen überhaupt namentlich genannt werden, und wenn es geschieht, dann klitzeklein versteckt im Impressum. Für mich war es einst ein Kampf, wenigstens das zu erreichen. Richtig wäre, Übersetzer*innen stünden prominent auf dem Titelblatt wie es bei der englischen Ausgabe und bei literarischen Übersetzungen üblich ist. Ich vermute, dann würde auch - ganz generell - die Wertschätzung steigen. Was Deine Interviews angeht: Ich führe sie ja nicht, um noch bekannter zu werden, sondern freue mich, etwas zu Deiner tollen Seite beitragen zu können.
- Gab es auch Zeiten, zu denen du dir gewünscht hättest, einen anderen beruflichen Weg gegangen zu sein? Wenn ja, was wäre das gewesen?
Ich hätte Zahnmedizin studieren können, das hätte die Familie akzeptiert, aber das hätte auch bedeutet, dass ich mich an die Praxis meines Vaters binde. Jura lehnte der Familienrat ab, das sei doch nichts für Frauen!!! Ich war ja beim Abitur gerade mal 18 und volljährig wurde man damals erst mit 21 Jahren! So schrieb ich mich kurzerhand am Dolmetscher-Institut der Universität Heidelberg ein und wählte die Sprachen Französisch und Italienisch mit dem Hintergedanken, vielleicht einmal bei der Anfang der 50er Jahre gegründeten Montan-Union in Brüssel zu arbeiten. Eines wollte ich mit Sicherheit nicht: In den Schuldienst gehen, wie meine Mutter es gern gehabt hätte. Sie betrachtete gutbürgerlich die Berufstätigkeit der Töchter in den 50er Jahren sowieso nur als Überbrückungszeit bis zur Heirat und Mutterschaft.
Für mich sollte es anders kommen, ich habe nach meinem Übersetzer- und Dolmetscherexamen nicht nur freiberuflich übersetzt, sondern auch viele Jahre am Münchner Sprachen- und Dolmetscher-Institut unterrichtet und später – nach einem Studium der Allgemeinen und Romanischen Sprachwissenschaft - als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ludwig-Maximilians-Universität.
Mein Arbeiten damals war ein ständiges Jonglieren zwischen Beruf und Familie. Später gar zwischen Beruf, Familie und Zweitstudium. Die liebevolle Kinderfrau, die ich halbtags die ersten vier Jahre bei mir zuhause hatte, empfand ich als Bereicherung für unsere Kleinfamilie. Allerdings verstanden es Mutter, Schwiegermutter und ausgerechnet die nicht berufstätigen Mütter der Spielkameraden meines Sohnes, mir permanent ein schlechtes Gewissen einzureden. Leider besserte sich die Lage auch nur unwesentlich als mein Sohn in die Schule kam, wo oft unvorhergesehen der Unterricht ausfiel und von Schulbetreuung oder Benachrichtigung per Handy! Damals keine Rede sein konnte.
Aber es gelang. Trotz alledem, ich würde es wieder so machen! Das Geheimnis war: Bei der einen Tätigkeit für die andere aufzutanken. Frei nach meiner weiblichen Lieblingsgestalt der deutsch-französischen Geschichte, nämlich Liselotte von der Pfalz, Schwägerin von Ludwig XIV., die über ihre Repräsentationspflichten befand: "Madame sein ist ein ellendes Handwerk" möchte ich sagen: "Übersetzen ist ein einsames Handwerk!".
Ich jedenfalls saß nicht mit dem Weißbierglas am Schreibtisch, wie sich das so mancher Interviewer gern vorgestellt hatte. Und die Ideen kamen auch nicht auf Kommando, es bedarf vieler Vorarbeit, bis dann irgendwann, im entspannten Zustand, der zündende Funke aufblitzt. Es ist wie bei einem wichtigen Brief, man entwirft ihn am Vortag und über Nacht fallen einem die richtigen Formulierungen ein.
- Wenn du jetzt auf dein Werk, die ersten 29 Asterix-Abenteuer "Asterix der Gallier" bis "Asterix und Maestria" übersetzt zu haben, zurückblickst, welche Erinnerungen sind noch am lebendigsten? Was verbindet dich mit deiner Arbeit an Asterix?
Asterix begleitet mich wahrscheinlich bis zum letzten Atemzug, er ist ja auch dank der nachfolgenden Bände, der Filme und der enormen Pressearbeit des Egmont-Verlags allgegenwärtig.
Welche Erinnerungen sind noch am lebendigsten? Da ich mehrmals im Jahr von Universitäten, Vereinen, Schulen oder privaten Freundeskreisen zu einem Vortrag eingeladen werde, um dort eine PowerPoint-Präsentation zu halten, bin ich immer wieder damit beschäftigt, frühere Wortspiele herauszusuchen, Hintergründe zu recherchieren und in meinen Erinnerungen zu kramen. Denn identisch sind diese Vorträge nie, das würde mich langweilen. Gerade hat mich das Coburger Friedensdankfest in Meeder für einen Vortrag in Franken im Jahr 2021 angefragt, man hält mich (Jahrgang 1938) wohl für sehr langlebig.
Inzwischen habe ich auch zwei Enkelkinder im Schulalter, die mich mit ihren Fragen zu Asterix löchern. Und nicht zuletzt haben auch die Freunde Nachkommen, die eifrig von meinen Belegexemplaren der Nachdrucke profitieren.
Ein ganz besonderes Highlight war es, vor Corona im Januar 2020 durch den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder in einem persönlichen Schreiben zu erfahren, dass mir der Bundespräsident das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen hat. Hier Markus Söder O-Ton: "Sie haben unserem Land viel Freude bereitet! Als kreative Übersetzerin verschiedener Comics haben Sie dem kulturellen Leben in Deutschland frische Impulse geschenkt. Zahllose Leser sind Ihnen vor allem dafür dankbar, dass Sie ihnen die Welt der unbeugsamen Gallier erschlossen haben."
Heute am 9. September 2020 wird mir um 13 Uhr dieser Orden nun – nach mehrmaligem Verschieben des Termins - im Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst überreicht. Das ist nicht nur eine große Ehrung für mein Schaffen, sondern eine tolle Aufwertung der Textsorte Comics!
- Das ist natürlich ein ganz fantastisches Highlight, über das ich mich sehr gefreut habe! Ich hätte auch sehr gerne Bilder von einer großartigen Verleihung gesehen! Ich freue mich besonders darüber, dass damit dein Schaffen die Würdigung erhält, für die du selbst auch jahrelang gekämpft hast. Ist diese Ehrung eine gewisse Genugtuung dafür?
Hm ... ich hatte nie mit einem solchen Orden gerechnet! Umso größer waren Überraschung und Freude. Eher hätte ich mit der Verleihung eines französischen Ordens geliebäugelt. Schließlich ist – wenn ich da richtig informiert bin - die deutsche Lizenz-Auflage ja die auflagenstärkste aller Lizenzen-Ausgaben. Natürlich will man auch Erfolg haben. Aber die Grundlage für alles und damit das Wichtigste ist das private Glück.
- Einige Asterix-Ausgaben hast du sicher noch zu Hause. Bist du noch auf der Suche nach bestimmten Exemplaren?
Es fehlen mir Asterix HC 6,7 und 14.
- Hier natürlich die Erstausgaben… vielleicht sorgt dieses Interview dafür, dass du diese Bände nun bald bekommst. Vielen Dank für das Interview und bitte bleib gesund!
Das Gespräch wurde zwischen Mai und September 2020 per E-Mail geführt. Die Nutzung des Interviews, auch auszugsweise, ist nur nach vorheriger Genehmigung unter Nennung der Quelle und bei Websites mit einem Verweis auf diese Seite erlaubt.